von Wolfgang Hock

 

Das Übermalen von Fotografien

 

Weil es noch nicht möglich war, farbige Fotografien herzustellen, versuchte man dem Problem zu entkommen, indem man schwarz-weiße Fotografien bemalte; eine Technik, die im 19. Jahrhundert viele Maler ernährte.

Hier zwei typische Beispiele aus dieser Zeit. Dargestellt sind meine eigenen Ururgroßeltern: Johann Adam Hock und seine Frau, geborene Geiger, "gemalt" von einem Maler Namens Rügel (?) aus Aschaffenburg im Jahre 1851.

Auf der Rückseite der Bilder steht ausdrücklich "gemalt von...", aber beim genauen Hinsehen handelt es sich eindeutig um farbig übermalte Schwarz-Weiß-Fotografien, übermalt von einem Gemisch aus Kreide, Pastell und Wasserfarben, was aber offensichtlich versucht wurde zu verschleiern.

Auf diese Weise hatte man die Genauigkeit der Fotografie und doch die Farbigkeit von Gemälden. Von daher erklärt sich auch das relativ kleine Format von 25 x 29 cm, ein typisches Fotoformat in dieser Zeit.

Man wollte aber nicht, dass diese Bilder als farbige – bemalte - Fotografien erkannt wurden, weil dies den „Wert“ der Bilder schmälern würde. Wert sowohl als Kunst (Malerei = Kunst; Fotografie ist Kunst ?) als auch materiell gesehen. Schließlich bezahlte man mehr für ein ‚handgemachtes‘ Gemälde als für eine „Zwitter-Fotografie“.

Die Verwendung von Fotografien und das kleine Format wurden zusätzlich verschleiert durch aufwendige und breite Bilderrahmen, meist in Goldbemalung, die typisch waren für die Malerei.

Um dem Ganzen einen noblen und gleichzeitig gefälligen Eindruck zu verleihen, blieb man ganz im Stil der idealisierenden klassizistischen Portraitmalerei der Ingres-Tradition, der offiziellen Kunst in Frankreich. Auf der anderen Seite sieht man aber auch die typische Portraitfotografie in Schwarz-Weiß des 19. Jahrhunderts.

Die Frage der Qualität solcher Bilder stellt sich nicht wegen der Technik - der Übermalung von Fotos, sondern wegen der mangelnden Eigenständigkeit bzw. simplen Übernahme vorformulierter Bildtraditionen. Die Verwendung der Technik der Fotoübermalung ist kein Kriterium für Qualität, Kunst oder nicht Kunst, Können oder nicht Können usw.

 

 

"Gemalt" von Rügel (?), Aschaffenburg
Bildnis des Ehepaares Hock 1851
Farbig bemalte Schwarz-Weiß-Fotografien
mit einem Gemisch aus Kreide, Pastell und Wasserfarben
25 x 29 cm
Privatbesitz, Bamberg

 

Ausschnitt

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